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Tic stob von Mats' Schulter und fluchte. »Vlad hat das letzte Siegel
gefunden, nicht wahr? Er hat es zerstört und nun sind schon drei der vier
Dämonen frei.« Er raufte sich sein kupferfarbenes Haar. »Wieso ist er
uns bloß immer einen Schritt voraus?«
»Weil er das alles schon seit langer Zeit plant«, erwiderte Hel, die
scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. »Jetzt ist nur noch
ein einziges Siegel übrig: Der Goldene Schlüssel, den ihr Konrad
Abendrot übergeben habt.«
Mats starrte auf die Kerker, in denen die Dämonen über tausend Jahre
lang gefangen gehalten wurden. Tausend Jahre, in denen sie weder
Chaos noch Unheil stiften konnten. Sein Blick traf auf die vierte, noch
verschlossene Tür und er erschauderte unter dem Kribbeln der Magie,
die von ihr ausstrahlte.
»Was ist geschehen?«, fragte er. »Wer hatte das letzte Artefakt?«
»Fenris, mein Bruder.« Hel kickte einen Stein zur Seite, der nahe ihr-
er rechten Stiefelspitze gelegen hatte. »Die Zerstörung des Siegels hat
auch den Vergessenszauber gebrochen, sodass ich mich jetzt wieder
erinnere, es ihm übergeben zu haben.«
»Aber wenn er Ihr Bruder ist, muss er doch ein Gott sein«, wandte
Mats ein. »Wie konnte Vlad es ihm dann überhaupt abnehmen?«
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»Mit den gleichen Mitteln, mit denen er auch euch in die Knie
gezwungen hat: mit List und Tücke. Aber das spielt jetzt keine Rolle
mehr. Viel wichtiger ist, um wen es sich bei den vier handelt. Und war-
um sie so gefährlich sind.« Die Göttin legte eine ihrer Hände auf die let-
zte Kerkertür, woraufhin ein zorniger Aufschrei aus dem Inneren der
Zelle drang. »Morczane war ihr Anführer«, fuhr die Göttin fort und dre-
hte sich wieder zu ihnen um. »Er kontrollierte die anderen Dämonen,
zwang ihnen seinen Willen auf. Darauf beruhte seine ganze Macht. Er
war ein Scheusal und grausam obendrein. Aber er besaß nicht die Kräfte,
über die die anderen vier Dämonen verfügten. Aus diesem Grund er-
langte er auch nie ihre Berühmtheit.« Sie schnippte mit den Fingern und
ein Stuhl erschien neben ihr. Hel setzte sich verkehrt herum darauf, so-
dass sie sich mit den Ellbogen auf der Rückenlehne abstützen konnte.
»Wenn sie in die Schlacht zogen, wenn sie Zerstörung und Tod über die
Menschen und ihre Städte brachten, dann waren es immer nur die vier,
die angriffen. Morczane hielt sich im Hintergrund, von wo aus er sie wie
Schachfiguren lenkte und sich am Elend, am Blut und am Sterben
erfreute.«
Tic gab ein Wimmern von sich.
»Es war eine schlimme Zeit für die Menschen, eine sehr schlimme.«
Hels Blick bohrte sich in den von Mats und ein verrauchtes, von Sch-
merz- und Todesschreien erfülltes Schlachtfeld nahm vor seinen Augen
Gestalt an. Das Bild wirkte so real, dass er den Rauch riechen, den met-
allischen Geschmack von Blut auf der Zunge schmecken und die Furcht
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und das Entsetzen der Soldaten fühlen konnte, als die vier Dämonen
durch den Kriegsnebel auf sie zugeritten kamen.
»Du kennst sie, Menschenjunge«, drang die Stimme der Göttin an
seine Ohren, »du kennst sogar ihre Namen.«
Mats stöhnte und schüttelte den Kopf. Allmählich klärte
sich sein Blick und er sah in Lucys besorgtes Gesicht. »Ich weiß jetzt,
wer sie sind«, sagte er mit einer Stimme, die selbst in seinen eigenen
Ohren fremd klang. »Es sind die vier Apokalyptischen Reiter. Die Boten
des Untergangs.«
»Hunger, Tod, Pest und Krieg«, sagte die Göttin. »Keine andere
Macht hat die Menschheit jemals näher an den Abgrund der Vernichtung
getrieben. Hoffen wir, dass Vlad es niemals gelingen wird, die vier
wieder zu vereinen.«
Mats war sich nicht sicher, ob er geschockt oder erleichtert darüber sein
sollte, die Gesichter ihrer Feinde zu kennen.
In den vergangenen Wochen hatte er nachts oft wach gelegen und
sich ausgemalt, wie die übrigen Dämonen aussehen würden.
Er hatte sich Bestien vorgestellt, die Säure versprühten, Münder mit
rasiermesserscharfen Zähnen besaßen und mit Hunderten Tentakel um
sich schlugen.
Die vier Apokalyptischen Reiter waren nichts davon, und dennoch
nicht weniger Furcht einflößend.
»Alles in Ordnung?«, fragte Tic und bohrte ihm einen winzigen
Finger ins Ohr.
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Mats drehte den Kopf so, dass er den Feenmann auf seiner Schulter
sehen konnte. »Ja«, sagte er und war selbst am meisten über seine Ant-
wort überrascht. »Ja, ich denke schon.«
»Das sollte es aber nicht, Mats Greifenhall«, warf Hel ein. »Die vier
sind die mächtigsten Dämonen, die jemals aus der Hölle entkommen
sind.« Die Göttin erhob sich und der Stuhl zerfiel unter ihr zu Asche.
»Und Vlad ist mächtiger, als Morczane es je war. Nicht einmal die Göt-
ter wissen, woher er seine Kraft bezieht.«
Vielleicht nicht die Götter, dachte Mats. Aber jemand anderer wusste
es sehr wohl. Zumindest hatte der Ripper etwas in dieser Richtung
angedeutet. Mats überlegte kurz, ob er Hel von seinem Verdacht erzäh-
len sollte, entschied sich aber dagegen. Warum sollten sie zur Ab-
wechslung nicht auch einmal ein Geheimnis haben!
Abgesehen davon war die Göttin längst zu einem anderen Thema
gewechselt.
»Jetzt, wo nur noch ein Siegel übrig ist, müsst ihr den alten Konrad
unbedingt warnen. Ich habe bereits mit ihm gesprochen, aber er glaubt,
dass der Goldene Schlüssel weiterhin bei ihm sicher ist.«
»Sie glauben das aber nicht«, sagte Lucy.
Hel schüttelte den Kopf. »Vlad steht so kurz vor seinem Triumph,
dass er alles daransetzen wird, das letzte Siegel in die Finger zu bekom-
men. Wirklich alles.«
»Wir werden mit dem alten Konrad reden«, versprach Mats und warf
einen Blick auf die Uhr. Wenn sie richtig ging - vorausgesetzt, es gab so
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etwas wie Zeit in der Unterwelt- war es jetzt halb drei nachts. Im Mo-
ment war er noch aufgedreht genug, um die Erschöpfung nicht zu
spüren, aber das würde sich sicher bald ändern. »Wir müssen langsam
zurück«, bat er die Göttin. »Unsere Eltern sind bestimmt schon halb
wahnsinnig vor Angst.«
»Um dieses Problem hat sich Mr Myrddin bereits gekümmert.«
»Er... er weiß, dass wir hier sind?«
»Er ist ziemlich wütend darüber, dass ihr euch weggeschlichen habt.«
Hels Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ihr solltet euch für die
Zukunft merken, dass es niemals gut ist, einen Zauberer zu verärgern.«
Am nächsten Morgen mussten Mats und Lucy zeitig aus den Federn. Sie
hatten Frau Greifenhall versprochen, bei der Frühschicht im Hotel aus-
zuhelfen. Ein Fehler, den Mats inzwischen bereute, während er sich völ-
lig übermüdet durch die Hotelkorridore schleppte, um die Bettwäsche
und Handtücher einzusammeln, die die Zimmermädchen vor die Türen
der Suiten gelegt hatten. Um diese Aufgabe möglichst schnell hinter sich
zu bringen, hatten die beiden sich aufgeteilt. Mats arbeitete alle geraden
Stockwerke ab, Lucy die ungeraden.
Mats stützte sich auf den Wäschewagen, dessen rechtes Vorderrad
nervtötend quietschte. Nachdem sie von ihrem Besuch bei der
durchgeknallten Hel zurückgekehrt waren, hatte er kaum drei Stunden
geschlafen, bevor sein Wecker ihn auch schon wieder aus dem Bett ges-
cheucht hatte. Mit einem Seufzer blieb er stehen und hob ein paar
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feuchte Handtücher auf. Wenigstens hatte Mr Myrddin dafür gesorgt,
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