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daß er in einer Woche abhauen will, gut deshalb, weil Joel
Sachen gesagt hat, die entlarvt werden könnten. Aber
gleichzeitig ist es nicht gut, wenn Ture verschwindet.
Einen Adligen zum Freund zu haben, ist gut. Das hätte
kein anderer. Außerdem ein Adliger, der älter ist als er.
Er denkt an die große Wohnung. In Gedanken betrachtet
er noch einmal die Gemälde und Bücher, betritt die wei-
chen Teppiche. Aber als er bei der Ritterrüstung an-
kommt, geht er nicht weiter. Jetzt ist er allein. Ture schickt
er in Gedanken weg, und er kann die Rüstung anlegen,
ohne daß es jemand merkt. Schließlich läßt er das Eisengit-
ter vorm Gesicht herunter.
Jetzt steht er irgendwo auf einem Schlachtfeld. Frau Ne-
derström hat erzählt, daß immer Nebel herrschte, wenn
die Männer in der Rüstung hinaus in den Kampf zogen.
Jetzt steigt er auf sein Pferd, den schönen Wallach, den er
beim Pferdehändler Under gesehen hat. Das schwarze
Pferd mit dem weißen Fleck unterm rechten Auge. Ir-
gendwo weit fort, unsichtbar im Nebel, wartet der
Feind...
Joel zuckt zusammen, als Papa Samuel die Tür öffnet.
Es dauert lange, ehe er einen guten Traum aufgebaut hat.
Aber es genügt, daß Papa Samuel den Türgriff berührt,
schon ist alles weg.
Joel tut so, als ob er schliefe.
Vorsichtig schließt Papa Samuel die Tür.
Sonst lauscht er länger, denkt Joel. Heute ist er viel zu
schnell wieder gegangen. Als ob er eigentlich gehofft hat,
daß ich schon schlafe...
Man müßte Vorschriften für Väter aufstellen, denkt Joel
wütend. Daß sie nicht einfach in einen Traum reingetram-
pelt kommen dürfen. Wie lange sie an der Tür horchen
müssen, ob man schläft. Wen sie nicht zum Kaffee nach
Hause einladen dürfen.
Vorschriften, die alle Väter unterschreiben müßten. Und
jedesmal, wenn sie gegen eine Vorschrift verstoßen, müß-
ten sie bestraft werden.
Das Radio verstummt, Papa Samuel gurgelt, das Bett
knarrt.
Was ist eigentlich passiert, denkt Joel. Warum war Mama
Jenny so unruhig? Was ist passiert...
Als der Wecker unter dem Kopfkissen klingelt, weiß Joel
erst nicht, was los ist. Er klingelt mitten in einen Traum.
Joel befindet sich unter unbekannten Menschen. Aber er
weiß, daß Mama Jenny irgendwo dort ist. Der einzige, den
er kennt, ist der alte Maurer. Plötzlich fangen die Bahn-
schranken an zu klingeln. Es ist der Wecker unter dem
Kopfkissen... Joel liegt ganz still in der Dunkelheit und
lauscht.
Eigentlich hat er Angst im Dunkeln. Weil er die Wände
und die Decke nicht sehen kann, seine eigenen Hände nicht
sehen kann. Wenn man im Dunkeln erwacht, ist man auf
eine Weise einsam, die ist schrecklich.
Wenn man mitten in der Nacht aufwacht, kann man gar
nicht so sicher sein, ob man nicht allein auf der ganzen
Welt ist.
Er knipst die Lampe an, die auf dem blauen Hocker steht.
Dann macht er sie wieder aus. Jetzt ist die Dunkelheit nicht
mehr schrecklich. Jetzt weiß er, daß sich hier nichts verän-
dert hat, während er schlief.
Er tappt hinaus in die Küche, schnürt seine Stiefel zu und
schleicht lautlos die Treppe hinunter. Die alte Westman
hustet trocken in ihrer Wohnung.
Draußen ist es sternklar, und er läuft, damit er nicht zu
spät zu den Güterwaggons kommt. Ture wartet in ihrem
Schatten auf ihn. Wieder schleicht er sich an und packt Joel
bei den Schultern, so daß er zusammenfährt.
Das hätte ich mir denken sollen, das macht Ture so lange,
wie ich zusammenzucke, denkt er.
Zunächst suchen sie nach dem Hund. Joel zeigt Ture die
Straßenlaterne, wo er den Hund zuletzt gesehen hat. Er hat
Lust, Ture von der Nacht zu erzählen, als er das Fliegende
Pferd aus dem Fahrradladen genommen hat. Aber viel-
leicht würde Ture ihm nicht glauben? Joel weiß ja nicht,
was er überhaupt denkt. Und er wird es auch nicht mehr
erfahren, wenn Ture in einer Woche durchbrennt.
Zum erstenmal ist er einem Menschen begegnet, von dem
er weiß, daß er sich wieder von ihm trennen und daß er ihn
nie wiedersehen wird, solange er lebt.
»Ein Hund!« sagt Ture plötzlich. »Wieso suchen wir ei-
gentlich nach einem Hund?«
Joel weiß nicht, was er antworten soll. Er weiß nur, daß
der Hund wichtig ist. Der Hund, der unterwegs zu einem
Stern ist. Er kann es nicht erklären, er weiß es nur.
Plötzlich versetzt Ture ihm einen Stoß in den Rücken.
»Da kommt jemand«, flüstert er.
Er zeigt die Straße entlang, und Joel sieht auf der anderen
Straßenseite eine dunkelgekleidete Gestalt herankommen.
Ein Mensch, der im Licht der Straßenlaterne auftaucht
und wieder im Schatten verschwindet.
Sie drücken sich dicht gegen die Hauswand, um sicher zu
sein, daß sie nicht zu sehen sind. Die dunkelgekleidete Ge-
stalt geht mit gesenktem Kopf. Als ob es nur ein Körper
wäre, der bei den Schultern endet. Aber dann sieht Joel,
wer es ist. Die Nasenlose. Die Frau, die mitten im Gesicht
ein Taschentuch anstelle einer Nase hat.
»Sie heißt Gertrud«, flüstert er Ture ins Ohr. »Ich weiß,
wer sie ist.«
»Warum läuft sie denn mitten in der Nacht mit gesenktem
Kopf herum?« fragt Ture. Er macht ein Zeichen, daß sie
ihr folgen sollen. Sie schleichen an den Hauswänden ent-
lang, der gebeugten dunklen Gestalt nach.
Joel hat immer geglaubt, daß Menschen es spüren, wenn
sie verfolgt werden. Aber Gertrud offenbar nicht. Die Na-
senlose. Mit Gertrud hat man entweder Mitleid, oder man
mag sie nicht. Aber die meisten fürchten sich vor ihr.
Leid kann sie einem tun, weil sie ihre Nase bei einer Opera-
tion im Krankenhaus verloren hat. Man kann sie aber
auch ablehnen, weil sie sich nicht zu Hause versteckt, son-
dern in den Straßen herumläuft und ihr entstelltes Gesicht
zeigt.
Sie muß sehr mutig sein, und vor mutigen Menschen haben
die Leute Angst.
Wenn Joel ihr auf der Straße begegnet, findet er es unheim-
lich und aufregend zugleich, ihr Gesicht zu sehen, n dem
i
die Nase fehlt.
Häufig hat sie ein weißes Taschentuch in das Loch ge-
stopft. Jedesmal wenn er ihr begegnet, nimmt er sich vor,
sie nicht anzugucken, aber er kann es nie lassen.
Sie gehört der Freikirche an, die neben dem Gemeindesaal
liegt. Jeden Tag geht sie in der Stadt herum und verkauft
religiöse Zeitungen. Fast niemand traut sich, ihr keine ab-
zunehmen.
Er weiß, daß sie versucht hat, sich im Fluß zu ertränken, als
man ihre Nase wegoperiert hatte. Aber jemand hat gese-
hen, wie sie ins Wasser sprang, und ruderte mit dem Boot
vom Pferdehändler hinaus und zog sie heraus. In den Ta-
schen hatte sie alte Bügeleisen, und um den Hals hatte sie
sich eine dicke Eisenkette geschlungen. Dann nahm sich
Hurra-Pelle, der Pastor der Freikirche, ihrer an, und j
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